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 Lehrveranstaltungen
 Sommersemester 2016
   Seminar Theoretische Physik
   Abstracts
 
Do 26. Mai Ekaterina Ilin
Nichtgleichgewichtsthermodynamik: Entropieproduktion

Was sind die wesentlichen Unterschiedene zwischen der klassischen Gleichgewichts-Thermodynamik und der Beschreibung von Nichtgleichgewichtssystemen? Um diese Frage beantworten zu können, wollen wir uns zunächst phänomenologisch und anhand anschaulicher Beispiele dem Begriff der Entropieproduktion nähern. Davon ausgehend schlagen wir die Brücke hin zur statistischen Physik, insbesondere zur kinetischen Theorie und werfen einen Blick auf die Verbindungen zwischen mikroskopischer Physik und makroskopischen Phänomenen. Am Beispiel von Byung Chan Eus "nonequilibrium ensemble method" werden schließlich die Herausforderungen sichtbar gemacht, die mit dem Anknüpfen einer konsistenten Theorie an die Phänomenologie der Thermodynamik einhergehen.
Literatur: B. C. Eu, "The Boltzmann equation and nonequilibrium ensemble method", J. Chem. Phys. 103, 10652-62 (1995).
N. A. Hall, "Nonequilibrium thermodynamics", J. Appl. Phys. 24, 819-25 (1953).

Mi 08. Jun Stefen Zeiske
The Casimir effect: from quantum to critical fluctuations

Zuerst wollen wir uns mit dem Casimir Effekt in seiner allgemeinen, quantenmechanischen Bedeutung beschäftigen und dabei die Frage klären, wie die gegenseitige Anziehung zweier paralleler, ungeladener, perfekt leitender Metallplatten im Vakuum aufgrund von quantenmechanischen Fluktuationen zu verstehen ist. Im Anschluss gehen wir zum Casimir Effekt bei Phasenüberängen, wo entsprechende Fluktuationen nicht mehr quantenmechanischer sondern thermodynamischer Natur sind, und auf dieser Grundlage eine kurze Gegenüberstellung erarbeiten.
Zum Schluss wollen wir ein Experiment diskutieren, wo der thermische Casimir Effekt mit Hilfe der Brownschen Bewegung von Kolloiden untersucht wird. Schwerpunkt soll dabei auf der theoretischen Bestimmung der Casimir Kraft liegen.
A. Gambassi, "The Casimir effect: From quantum to critical fluctuations", J. Phys.: Conf. Ser. 161 (2009) 012037.

Do 09. Jun Julien Gout
Dynamical system prediction with machine learning

Das Verhalten dynamischer Systeme vorherzusagen ist eine Kernaufgabe der Physik. Ein wesentlicher Bestandteil ist die Formulierung geeigneter mathematischer Modelle, zumeist in Form von Differentialgleichungen. In den letzten drei Jahrzehnten gab es verstärkte Bestrebunge, Methoden aus der künstlichen Intelligenz, insbesondere dem maschinellen Lernen, für die Formulierung solcher mathematischen Modelle einzusetze. Quade, Abel und Kollegen habe kürzlich einen neuartigen Ansatz für die Rekonstruktion und Vorhersage (nichtlinearer) dynamischer Systeme vorgestellt [1]. Sie nutzen hierzu insbesondere "genetische Programmierung", eine Methode der symbolischen Regression aus dem Gebiet des maschinellen Lernens [2,3]. Der Vortrag gibt eine kurze Einführung in genetische Algorithmen und soll außerdem grundsätzliche Fragen zur öglichkeit der Rekonstruktion (unbekannter) dynamischer Systeme aus Zeitreihen von Messdaten anreißen. Als Fallbeispiel dient das im vorgestellten Paper untersuchte System aus FitzHugh-Nagumo Oszillatoren.
[1] M. Quade, M. Abel et al., "Prediction of Dynamical Systems by Symbolic Regression", arXiv:1602.04648 (2016)
[2] S. Luke, Essentials of Metaheuristics, 2nd Ed. (Lulu 2013)
[3] P. Winston, Lecture 13. Learning: Genetic Algorithms, Machine Learning Course, Fall 2010. (Massachusetts Institute of Technology: MIT OpenCouseWare), http://ocw.mit.edu/6-034F10

Mi 15. Jun Dennis Mayer
Quanten-Messung und Entropie — the physics of forgetting

Leo Szilards Habilitationschrift "Über die Entropieverminderung in einem thermodynamischen System bei Eingriffen intelligenter Wesen" (1929) gilt als erste Veröffentlichung, in der Konzepte der Informationstheorie und Physik miteinander verknüpft wurden. In dem Vortrag wird die Verbindung zwischen Informationsgewinn und Entropieerzeugung aufgezeigt. Zu Beginn wird dazu die Shannon-Entropie als Maß für den Informationsgehalt einer Nachricht bzw. eines Zustandes eingeführt. Anhand des Maxwellschen Dämons wird anschließend das Landauer-Prinzip erläutert, das die Begriffe der Information und der thermodynamischen Entropie miteinander verknüpft. Abschließend wird der Entropiehaushalt bei Quantenmessungen diskutiert.
Literatur: E. Lubkin, "Keeping the Entropy of Measurement: Szilard Revisited", Int. J. Theo. Phys. 26(6), 523-35 (1987)
M.B. Plenio, V. Vitelli, "The physics of forgetting: Landauer's erasure principle and information theory", Contemp. Phys. 42(1), 25-60 (2000)

Do 16. Jun Thomas Seidler
Quantum cosmology for pedestrians

Gängige kosmologische Modelle sagen eine Expansion des Universums voraus. Rechnet man zum Zeitpunkt des Big Bang zurück, resultiert daraus jedoch eine Singularität. In der Frühphase seiner Evolution war die Ausdehnung des Universums vergleichbar mit Skalen, in denen die Quantentheorie angewendet werden muss.
Um also Quantenphysik und Allgemeine Relativitätstheorie zusammenzubringen, werden wir zunächst die Grundzüge der Friedmann-Robertson-Walker Kosmologie behandeln und mittels kanonischer Quantisierung ihrer Grundgleichung die Wheeler-DeWitt Gleichung herleiten. Die Evolutionsgleichung eines solchen Universums gleicht formal einer eindimensionalen zeitunabhängigen Schrödingergleichung. Damit kann die Wellenfunktion für ein gesamtes Universum berechnet werden. Auf dieser Grundlage werden wir sehen, dass eine endliche Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Universum durch den Tunneleffekt aus einem "kosmologischen Nichts" [1] in seine Existenz kommt.
Literatur: [1] D. Atkatz, "Quantum cosmology for pedestrians", Am. J. Phys. 62, 619-27 (1994).

Do 23. Jun Tino Götzke
Random walk with shrinking steps

Der Random Walk (Irrweg) ist ein mathematisches Modell für stochastische Prozesse mit unabhängigen Zufallschritten. Neben Brownscher Molekularbewegung und Diffusion, als bekanntesten Beispielen, findet der Random Walk auch Anwendung in Modellen für die Nahrungssuche von Tieren, für Börsenkurse sowie für Erfolgsaussichten von Glückspielen. Interessante mathematische Eigenschaften des Random Walk variieren dabei stark, abhängig von der gewählten Dimension und der zugrunde liegenden Verteilung für die Schritte. Im Vortrag werden die Eigenschaften eines 1-dimensionalen Random Walks mit sich stetig verkürzenden Schritten betrachtet. Dabei liegt die Aufmerksamkeit auf der Wahrscheinlichkeitsverteilung für den Endpunkt in Abhängigkeit vom Schrumpffaktor der Schritte. Unter anderem werden dabei Selbstähnlichkeit, Cantor-Menge und Singularitäten eine Rolle spielen.
Literatur: P. L. Krapivsky and S. Redner, "Random walk with shrinking steps", Am. J. Phys. 72, 591 (2004).

Mi 29. Jun Manuel Frey
Selbstähnliche Dynamik von Proteinen über viele Zeitskalen

Proteine sind komplexen Wechselwirkungen mit ihrer Umgebung sowie den Proteindomänen untereinander ausgesetzt. Das hat zur Folge, dass sie sich permanent im nicht-Gleichgewicht befinden und zwei gleiche Proteine fast nie in ihrer exakten äußeren Erscheinung und damit auch biologischen Wirksamkeit übereinstimmen. Simulationen zur Moleküldynamik konnten dieses experimentell beobachtete Phänomen nun auch auf sehr kleinen Zeiten bestätigen, woraus auf eine Selbstähnlichkeit der Proteindynamik über viele Zeitskalen geschlossen wird. Die Dynamik kann zudem als nicht-ergodisch beschrieben werden, da die mittleren Wartezeiten zwischen den Bewegungen des Moleküls mit zunehmender Beobachtungszeit des Systems divergieren; man bezeichnet dies auch als Alterungsprozess. Eine theoretische Beschreibung dieses individuellen Verhaltens ist durch einen zeitkontinuierlichen Random Walk auf der Energielandschaft des Systems möglich.
Literatur: Xiahu Hu et al., "The dynamics of single protein molecules is non-equilibrium and selfsimilar over thirteen decades in time", Nature Phys. 12, 171–74 (2016);
Eli Barkai, Yuval Garini und Ralf Metzler, "Strange kinetics of single molecules in living cells", Physics Today 65(8), 29 (2012)

Do 30. Jun Janjenka Szillat
The apparent „super-Carnot“ efficiency of hurricanes

In dem Vortrag wird es um die Wirkungsweise von Orkanen gehen, welche ihre Energie aus dem Wärmebad des tropischen Ozeans und dem Kältebad der Tropopause in der Atmosphäre ziehen. In einzigartiger Effizienz können sie scheinbare „super-Carnot“ Wirkungsgrade mit Werten größer als eins erzeugen. Es wird sich zeigen, warum dies dennoch nicht im Widerspruch zu den thermodynamischen Hauptsätzen steht, und der tatsächliche Carnot-Wirkungsgrad nicht überschritten wird. Mit der Umsetzung der vom Orkan gewonnen Erkenntnisse auf Wärmekraftmaschinen, werden schließlich zwei interessante Konzepte vorgestellt, wie es auch mit Wärmekraftmaschinen möglich ist, sowohl scheinbare „super-Arbeit“ als auch einen scheinbaren „super-Carnot“-Wirkungsgrad zu erzielen.
Literatur: J. Denur, "The apparent 'super-Carnot' efficiency of Orkans: Nature's steam engine versus the steam locomotive", Am. J. Phys. 79(6), 631–42 (2011).

Mi 06. Jul Maria Kegeler
Wie schnell sich Organismen bewegen können: von Bakterien zu Elefanten und Walen

Trotz der großen Vielfalt und unterschiedlichen Komplexität von Leben auf der Erde, laßen sich aufgrund der Universalität der physikalischen Gesetze einfache Skalierungen finden, wobei artspezifische Details vernachlässigt werden können. Wir werden uns dem näherungsweise linearen Zusammenhang zwischen Maximalgeschwindigkeit und Körpergröße einer großen Anzahl von rennenden und schwimmenden Lebewesen widmen, der für Mikroorganismen bis hin zu den größten Säugetieren gilt. Dafür machen wir eine Dimensionsanalyse, basierend auf drei grundlegenden Eigenschaften, die die Leistung von Organismen beschränken: Ihrer Dichte, der angewendete Kraft pro Wechselwirkungsfläche und der maximalen Rate des Energieverbrauchs pro Maßeneinheit. Am Ende schauen wir uns außerdem kurz zwei Ausnahmen der Relation zwischen maximaler Geschwindigkeit und Länge an: sehr große Lebewesen, bei denen das Verhältnis tendenziell absinkt, und fliegende Lebewesen.
Literatur: N. Meyer-Vernet, J.-P. Rospars, "How fast do living organisms move: Maximum speeds from bacteria to elephants and whales", Am. J. Phys. 83(8), 719-22 (2015).

Mi 13. Jul Ines Mayan
EPR paradox and Bell's inequality

In this talk, the Einstein-Podolski-Rosen (EPR) Paradox and its thought experiment will be explained, as well as Bell's inequality and its baffling outcome. In 1935 EPR argued that quantum theory is incomplete since it does not predict the definite outcome of a measurement. To be complete, quantum theory must contain so called 'hidden variables', EPR said. Thirty years later Bell constructed a thought experiment about the measurement of two entangled photons. Bells prediction about the outcome of this experiment seems perfectly conclusive, yet quantum mechanics makes a different prediction – which is experimentally confirmed. Before getting exasperated by this paradox, the talk will last but not least take a look at the steps that led to the common sense prediction of Bell to find out what the minimal assumptions behind Bell's inequality are. Come and enjoy this philosophical-physical journey.
Literature: Guy Blaylock, "The EPR paradox, Bell's inequality, and the question of locality", Am. J. Phys. 78(1), 111 (2010).

Mi 13. Jul Alexander Putz
Kaustiken von Materiewellen und Katastrophentheorie

Die sogenannte Katastrophentheorie findet heutzutage in vielerlei Hinsicht Anwendung in der Natur. Dabei geht es weniger um Naturkastrophen als um das unstetige Verhalten eines Systems bei geringer Änderung der beschreibenden Parameter. Nichtsdestotrotz können sich stabile (Dichte)Strukturen in diesem System ausbilden, die auch bei Änderung der beschreibenden Parameter nicht verschwinden. Genau diese Beschreibung kann man sich zunutze machen, um Kaustiken zu verstehen, die hellen Strukturen, die etwa Lichtstrahlen in einem Wasserbecken erzeugen. Kaustiken lassen sich vielseitig in jeder Art von Strahlenoptik finden. Im Vortrag werden wir uns die Grundlagen der Katastrophentheorie aneignen und auf ein Experiment eingehen, in welchem mithilfe katastrophischen Verhaltens Kaustiken von Materiewellen in verdünntem Rb Gas erzeugt wurden.
Literatur: S. Rosenblum & al., "Demonstration of fold and cusp catastrophes in an atomic cloud reflected from an optical barrier in the presence of gravity", Phys. Rev. Lett. 112, 120403 (2014).

Do 14. Jul Erik Romanowsky
CO2-Beitrag zum Treibhauseffekt der Erde

Das Klima auf der Erde wird unter anderem durch die Zusammensetzung der Luft beeinflusst. Ändert sich die atmosphärische Zusammensetzung, so ändern sich auch ihre Strahlungseigenschaften. In einer Welt mit steigenden CO2-Konzentrationen ist es von Bedeutung die Auswirkungen einer veränderten Luftzusammensetzung und den individuellen Beitrag einzelner Komponenten, insbesondere den von CO2 abschätzen zu können. In diesem Vortrag wird der Treibhauseffekt für eine idealisierte Erde mit einer gemittelten Oberflächentemperatur erklärt. Weiterhin werden mittels grundlegender physikalischer Prinzipien einfache Modellansätze zur Abschätzung des Beitrages von CO2 entwickelt und diskutiert.
Literatur: D. J. Wilson und J. Gea-Banacloche, "Simple model to estimate the contribution of atmospheric CO2 to the Earth's greenhouse effect", Am. J. Phys. 80 (2012) 306;
Raymond T. Pierrehumbert, "Infrared radiation and planetary temperature", Physics Today 64(1), Januar 2011



   
   
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